bremer hörkino

Radio-Geschichten live erleben

Hörkino-Archiv 2011

Martina Keller
Martina Keller

Mittwoch, 2. Februar 2011

Der Fall des Chirurgen Broelsch

Ein Lehrstück über Medizin und Macht

Martina Keller

Er ist der Pionier der Lebertransplantationen in Deutschland und hat das Große Verdienstkreuz erhalten. Auf der anderen Seite wird ihm Bestechlichkeit vorgeworfen. Der Fall Broelsch ist ein Lehrstück über die Verhältnisse an deutschen Kliniken. Monatelang wurde am Essener Landgericht gegen einen der prominentesten deutschen Mediziner verhandelt: Pionier der Lebertransplantation, Träger des Großen Verdienstkreuzes, Leibarzt des verstorbenen Bundespräsidenten Johannes Rau. Die Ankläger werfen Christoph Broelsch Bestechlichkeit in 36 Fällen vor, teils auch schweren Betrug.

Broelsch soll krebskranken Kassenpatienten zugesichert haben, sie persönlich zu operieren, wenn sie eine Spende auf ein Konto der Klinik überweisen würden. Sogar todkranke Menschen soll er mitunter zu Spenden genötigt haben. Was unter Christoph Broelsch in Essen geschah, ist ein Lehrstück über die Verhältnisse an deutschen Kliniken.

Das Feature erhielt den Feature-Preis der Stadt Basel.

Martina Keller
arbeitet als freie Wissenschaftsjournalistin in Hamburg, unter anderem für »Die Zeit«, »Brigitte«, »Geo Wissen« und »Öko-Test«. Außerdem ist sie Radiojournalistin für die Hörfunksender der ARD.


Jörn Klare
Jörn Klare

Mittwoch, 2. März 2011

Herr Meyer fährt jetzt fern

Und erzählt aus seinem Verbrecherleben

Feature von Jörn Klare (…)

Walter Meyer ist 60 Jahre alt, und er sieht aus wie 50. Er ist 1,90 groß, knapp zwei Zentner schwer, hat die Statur und den Gang eines Ringers. Wenn er die langen Ärmel seines Sweatshirts nach oben schiebt, kann man ein paar große Tätowierungen und eine Menge Narben sehen. Walter Meyer war 31 Jahre im Knast. „Dieser Knast ist eigentlich mein Zuhause. Wenn ich da reingekommen bin, dann ging das schon los: Hey Walter – biste wieder da. Wunderbar.“ Einbruch, Autodiebstahl, Raub in allen Variationen, bewaffnete Banküberfälle. Immer wieder und immer wieder. Immer und immer wieder Fluchtversuche. Jetzt fährt Meyer LKW. Seit sieben Jahren. Seit er frei ist.

Der Autor Jörn Klare hat den Schwerverbrecher vor rund zehn Jahren zum ersten Mal getroffen. Als Meyer noch saß und an einer Diskussion mit Jugendlichen teilnahm – als abschreckendes Beispiel. Zehn Jahre später treffen sich die beiden erneut. Und gehen zusammen auf Tour.

Jörn Klare
Jahrgang 1965 - lebt in Berlin und arbeitet als freier Autor vorwiegend für die Feature-Redaktionen im ARD-Rundfunk. Für sein Feature „Der Weltgerechtigkeitsbasar“ erhielt er 2008 den Robert-Geisendörfer-Preis. 2010 erschien im Suhrkamp Verlag sein viel beachtetes Sachbuch „Was bin ich wert? - Eine Preisermittlung.“


Margot Overath
Margot Overath
Rainer Kahrs
Rainer Kahrs

Mittwoch, 6. April 2011

Die lange Feature-Nacht

Zum siebten Hörkino-Geburtstag

Verleihung des Feature-Preises Bremer Hörkino – Präsentation der beiden ausgezeichneten Stücke

Am 6. April wird zum dritten Mal der »Feature-Preis Bremer Hörkino« verliehen. Damit möchten Beate Hoffmann und Charly Kowalczyk Autoinnen und Autoren aus Bremen und Niedersachsen auszeichnen und ermutigen: auch in Zeiten, in denen der Wortanteil und lange Geschichten weniger werden, wunderbare Hör-Stücke zu produzieren.

Preisträger 2011 sind Margot Overath und Rainer Kahrs.

Der »Feature-Preis Bremer Hörkino« wird gestiftet von swb und den Initiatoren des hörkinos, unterstützt von: »Hörsturz« – Interessengemeinschaft für Bremer Radiokultur.

Wir danken der Jury:
Ulrike Toma, Feature-Redakteurin beim Norddeutschen Rundfunk
Michael Augustin, Redakteur bei Radio Bremen/NordwestRadio
Regina Dietzold, Initiatorin von „Hörsturz - Interessengemeinschaft für Bremer Radiokultur“

Sieben Jahre Bremer Hörkino. Wir feiern mit Sekt, Selters und der feierlichen Verleihung des Feature-Preises an Margot Overath und Rainer Kahrs. Und wir hören die prämierten Stücke:

Verbrannt in Polizeizelle Nr. 5

Der Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in Dessau

von Margot Overath
Mitteldeutscher Rundfunk, Deutschlandfunk, Norddeutscher Rundfunk, 2010

Am 7. Januar 2005 verbrannte der aus Sierra Leone stammende Oury Jalloh im Gewahrsam eines Dessauer Polizeireviers. Jalloh lag volltrunken und an Händen und Füßen gefesselt auf einer feuerfesten Matratze. Zwei Jahre später begann vor dem Landgericht Dessau-Roßlau der Prozess gegen zwei der diensthabenden Polizeibeamten.

Am 8. Dezember 2008, nach 59 Verhandlungstagen, wurden die Angeklagten freigesprochen. Das Gericht hätte “trotz intensivster Bemühungen” den Tod nicht aufklären können, so der Vorsitzende Richter Manfred Steinhoff. Er beurteilte das Aussageverhalten der Polizeibeamten mit den Worten: “Das Ganze hat mit Rechtsstaat nichts mehr zu tun.” Zwei Jahre danach, am 7. Januar 2010, hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf und gab den Fall dem Landgericht Magdeburg zur Neuverhandlung.

Aus der Laudatio:

„Die Jury ist beeindruckt von der journalistischen Hartnäckigkeit und erzählerischen Kraft, mit der die Autorin die Hintergründe des Todes Ouri Jallohs aufdeckt und schildert. Margot Overath entlarvt die Unmenschlichkeit und die Kälte einer öffentlichen Institution.“

Margot Overath
lebt im Bremer Umland; sie arbeitete am Hamburger Institut für Sozialforschung über die RAF. Als freie Autorin ist sie tätig für alle Hörfunk-Anstalten der ARD. Für ihre Sendungen erhielt sie den „zivis-Preis“ und den „IFJ-Prize“ der internationalen Journalistenföderation.

Das Geheimnis des Waffenschiffes Faina

von Rainer Kahrs
Radio Bremen, 2010

Als der ukrainische Frachter “Faina” im Februar 2009 in den Hafen von Mombasa einlief, standen die Seeleute regungslos an der Reling. Vier Monate lang waren sie von somalischen Piraten in Geiselhaft gehalten worden. 3,5 Millionen Dollar hatte ein ukrainischer Oligarch den Piraten gezahlt. Lösegeld vom reichsten ukrainischen Bürger für die Mannschaft eines Schiffes, das dem stellvertretenden Verkehrsminister der Ukraine gehört. Das Bargeld wurde an einer geheimen Stelle von einem Flugzeug ins Meer vor Somalia geworfen.

Die Hintergründe der mysteriösen Zahlung wurden pikanterweise von den Piraten aufgedeckt: An Bord hatten sich 33 ukrainische Panzer, 90 Tonnen Kalaschnikows, Raketen und israelische Elektronik befunden, bestimmt für ein Krisengebiet in Afrika. Ein illegales Waffenschiff war enttarnt. Und eine Spur führt nach Deutschland.

Aus der Laudatio:

„Die Jury würdigt die investigative journalistische Arbeit von Rainer Kahrs, der in seinem Feature auf unerschrockene Weise das Netzwerk des internationalen Waffenhandels sichtbar macht. In einem spannenden akustischen Roadmovie reist der Autor auf den Routen skrupelloser Geschäftemacher aus Wirtschaft und Politik.“

Rainer Kahrs
ist Fernseh- und Hörfunkjournalist und lebt in Bremen. Er ist Redaktionsmitglied bei buten un binnen. Besondere Vorliebe: intensive Recherche-Themen und Features über Rüstungsgeschäfte, Politikerkarrieren in Indonesien oder über Wachkomapatienten in Deutschland. Arbeitete für „Tagessthemen“, „Panorama“, „Arte“ und erhielt den Medienpreis des Deutschen Roten Kreuzes.


Reinhard Schneider
Reinhard Schneider

Mittwoch, 4. Mai 2011

Neun Stockwerke Deutschland

Ein Hochhaus in Gladbeck

von Reinhard Schneider

Inmitten einer Wohnsiedlung in Gladbeck steht ein 1972 erbautes Hochhaus, das mit seinen neun Stockwerken alles andere überragt. Bianca zog hier ein, weil man nie alleine ist und „immer Anschluss findet“. Die Bewohner stehen in regem Kontakt untereinander.
Der ehemalige Bankräuber Bernie witzelt über seine Nachbarn: „Am Monatsersten, wenn es Hartz IV gibt, holen sich die Leute das Bier mit dem Taxi. Am 5. holen sie das Bier mit’m Fahrrad, und am 7. bringen sie das Leergut weg.“

Autor Reinhard Schneider hat die Bewohner ein Jahr lang begleitet und eine Art Dorf in der Vertikalen entdeckt, in dem vieles offener und direkter geschieht als anderswo.

Reinhard Schneider
geboren in Gelsenkirchen, ist gelernter Werkzeugmacher und Magister der Theaterwissenschaft. Heute arbeitet er als Autor und Regisseur von Hörfunkfeatures sowie Produzent, Autor und Regisseur von Dokumentarfilmen und Features im Fernsehen. Er erhielt zwei Mal den Deutschen Sozialpreis und den „Prix Italia“ für „Mein Sohn, der Nazi.“


Michael Weisfeld
Michael Weisfeld

Mittwoch, 1. Juni 2011

Wachleute, Türsteher, Neonazis

Die private Sicherheitsbranche in Deutschland

von Michael Weisfeld

Sie gehen Streife durch die Innenstadt und das Plattenbauviertel. Sie halten Wache in der Notaufnahme des Klinikums, in der Wartezone vom Arbeitsamt, im Asylbewerberheim. Sie kontrollieren die Gäste an der Disko-Tür. Vor dem Juweliergeschäft stehen sie breitbeinig in schwarzer Kluft mit Pistolen am Gürtel - der Autor hat Sicherheitsleute beim Einsatz begleitet.

Die meisten verrichten ihren Job solide - und zu einem Stundenlohn, der sie manchmal zwingt, zusätzlich “Hartz IV” zu beantragen. Aber die Branche zieht auch gewalttätige Männer an. Einige Firmen sind aus rechtsradikalen Kampfsportvereinen hervorgegangen. Auch organisierte Kriminelle haben im Sicherheitswesen Fuß gefasst. Die Öffentlichkeit nimmt das bisher kaum wahr, die Behörden kontrollieren die boomende Branche nicht ernsthaft, und eine politische Debatte über die Gefahren der privaten Sicherheit gibt es nicht - noch nicht.

Michael Weisfeld, geboren 1947, ist in einem hessischen Dorf als „Zwergschüler“ aufgewachsen. Dennoch konnte er später in Berlin Politikwissenschaft studieren. Um das wirkliche Leben kennenzulernen, ging er als Arbeiter in die Industrie, die längste Zeit bei den Stahlwerken Bremen. Dann wandte er sich seinen Traumberuf zu und wurde Reporter - erst für die taz und andere Zeitungen, seit einigen Jahren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.


Silke Hennig
Silke Hennig

Mittwoch, 7. September 2011

Der wilde Mann

Eine NS-Raubkunst-Geschichte

von Silke Hennig

Walther Silberstein, war jüdischer Abstammung und Herrenausstatter in Berlin. Er war kultiviert, sozial engagiert und liebte die Kunst. So kam es, dass Lovis Corinth, einer der bedeutendsten Maler des 20.Jahrhunderts und Freund Silbersteins, 1923 ein Porträt von ihm malte. Den Kindern gefiel das Bild nicht, da es etwas unkonventionell war und den Kaufmann als “wilden Mann” darstellte, wie sie meinten. Seine Tochter nahm das Bild nicht mit, als sie 1939 nach England floh.

Ihr Sohn Leo Heppner hat das fast Unmögliche geschafft - er fand nach langer Recherche das Porträt seines Großvaters Walther Silberstein. Und musste es zurückkaufen. Er schenkte es seiner Mutter zum 99. Geburtstag, 64 Jahre, nachdem sie es zuletzt gesehen hatte. Silke Hennig hat die abenteuerliche Geschichte einer eigentlich aussichtlosen Suche aufgezeichnet.

Silke Hennig
geboren in Kassel, studierte Kunst in Bremen und London. Sie war Kultur-Korrespondentin in London für mehrere ARD-Anstalten; heute arbeitet sie als freie Redakteurin für Radio Bremen/Nordwestradio und für Radio Berlin Brandenburg Kulturradio.


Mechthild Müser

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Nahtod

Grenzerfahrungen

von Mechthild Müser

Über dem Körper schweben? Klar sehen können trotz starker Kurzsichtigkeit? Durch einen dunklen Tunnel ins Licht gehen? Als die ersten Schilderungen von Nahtoderlebnissen vor 35 Jahren in Europa bekannt wurden, glaubten viele, damit sei der Beweis für ein Leben nach dem Tod erbracht. Im Sterben trenne sich das Bewusstsein oder die Seele vom Körper, um von da an körperlos zu neuen Ufern aufzubrechen.

Schnell regte sich Widerspruch: Die Menschen seien gar nicht tot gewesen, es handele sich um traumähnliche Einbildungen, die auch mit Narkosemitteln hervorgerufen werden könnten. Viele Fragen, wenig Antworten. Produziert das Gehirn das Bewusstsein oder ist es nur Empfänger? Und wie verändern sich Menschen, die ein Nahtoderlebnis gehabt haben?

Mechthild Müser
ist Soziologin mit Schwerpunkt Entwicklungspolitik, immer wieder gepackt von Fernweh, Mutter von zwei Töchtern, seit 20 Jahren Feature-Autorin in der ARD. Sie arbeitet als Hörfunk-Journalistin und Autorin in Bremen und veröffentlichte das Buch “FrauenWirtschaft - Juchitán, Mexikos Stadt der Frauen”. Sie erhielt den Journalistenpreis „Packende Wirtschaft“.


Helmut Kopetzky
Helmut Kopetzky

Mittwoch, 2. November 2011

Liebe und andere Zwischenfälle

Vom Erwachsenwerden mit dem Down-Syndrom

von Helmut Kopetzky

Kleine Kinder mit Trisomie 21 (“Down-Syndrom”) sind süß, überwältigend in ihrer Zuneigung, Mittelpunkt jedes Kindergeburtstags. Aber wie geht es weiter in ihrem Leben? Sie pubertieren wie jedes andere Kind, sie verlieben sich, wollen heiraten, arbeiten und Geld verdienen, unabhängig sein.

Ein Lehrer-Ehepaar im Vogelsberg hat drei Mädchen mit Down-Syndrom an Kindesstatt aufgenommen. Deren leibliche Eltern hatten die behinderten Babies von Geburt an abgelehnt oder wurden mit dem “Schicksalsschlag” psychisch nicht fertig.
Ulrike ist heute 39, Stefanie 21 Jahre alt. Petra (27), die Temperamentvollste, hat sich in Sven (30) verliebt - auch er ein Mann mit Down-Syndrom. Täglich telefonieren sie miteinander. In Petras Zimmer steht ein selbst gebastelter “Liebesaltar”. Die beiden reden von Hochzeit. Svens Eltern sind noch skeptisch, Petras Eltern befürworten die Verbindung.

Helmut Kopetzky
ist in Nordmähren geboren, war nach journalistischer Ausbildung und Studium Zeitungsreporter und Redakteur der Feature-Abteilung des SFB Berlin. Heute arbeitet er als freiberuflicher Autor und Regisseur. Er produzierte Sendungen für „Das kleine Fernsehspiel“ und über 100 Features. Er erhielt zahlreiche renommierte Hörfunk-Preise.


Jens Schellhass
Jens Schellhass

Mittwoch, 7. Dezember 2011

Letzte Fahrt ins Spielzeugland

von Jens Schellhass

Die Kindheit geht vorüber – aber die Erinnerungen bleiben. Auf rund 30 Quadratmetern im Bremer Norden wurden sie wieder wach, bei Spielwaren Erstling. Nach knapp 60 Jahren hieß es 2009: alles muss raus, Totalverkauf. Das kleine familiengeführte Ladenlokal schloss für immer seine Türen.

Zurück bleibt der Blick auf die Vergangenheit. Der damals 89-jährige Gründer des Geschäftes denkt zurück an seine Zeit, als sich die Kinder der “Vulkanesen”, der Schiffsbauer in Bremen Nord, die Nasen am Schaufenster platt drückten. Die Kinder von damals erinnern sich an ihre erste Puppenstube. Emotionslos dagegen wird das letzte Spielzeug nun in Bares umgesetzt, ein vorgezogenes Weihnachtsgeschäft.

In seinem Feature hat Jens Schellhass ein Hörbild von den letzten Tagen des Spielzeugladens gemalt. Dafür erhielt er 2010 in Hamburg den Deutschen Radiopreis in der Kategorie “Beste Reportage”.

Jens Schellhass
geboren in Bremen, Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann und Betriebswirt. Er war Pressesprecher der bremer shakespeare company und arbeitete als Redakteur und Reporter für Tageszeitungen und Magazine. Heute ist er freier Journalist bei Radio Bremen Hörfunk, Schwerpunkte: Kultur, Politik, Soziales.