bremer hörkino

Radio-Geschichten live erleben

Sandra John übergibt den Rüdi an die Preisträger
Beate Hoffmann, Charly Kowalczyk
Hoerkino Preisverleihung
Hoerkino_Preisverleihung
Hoerkino_Preisverleihung
Diskussion mit den Preisträgern
S. John, C. Christophersen, C. Glas, N. Zeeb, R. Kahrs

Di, 18.04.2017

Bremer Hörkino feiert das beste Debüt-Feature

„Rüdi hört“ geht an Claas Christophersen und Norbert Zeeb für „Dein Feind, Dein Mitarbeiter – Strategische Kriegsführung im Betrieb“

Gespanntes Lauschen, ungläubiges Kopfschütteln und eine angeregte Diskussion: ein intensiver Abend im Zeichen der Preisverleihung für das ausgezeichnete Debüt-Feature des Bremer Hörkinos.

„Es war einfach unfassbar schmerzhaft. Ich habe immer noch Albträume`, sagt Anne Müller. Sie und andere Mobbing-Opfer sprechen in diesem Feature ergreifend und sehr offen darüber, wie sie detektivisch überwacht und gezielt diskreditiert wurden. Claas Christophersen und Norbert Zeeb machen in ihrem Feature das entstehende Leid spürbar. Mobbing in Unternehmen, nicht nur unter Kollegen, sondern auch „von oben“, ist ein wachsendes Problem in Deutschland. Mit legalen und auch illegalen Methoden üben Arbeitgeber Druck auf einzelne Mitarbeiter aus. Insbesondere, wenn es sich dabei um Betriebsräte oder Beschäftigte handelt, die die Wahl eines Betriebsrats vorantreiben.

Und weil die beiden Autoren Claas Christophersen und Norbert Zeeb sich ihren Protagonisten mit großem Respekt und Feingefühl und ohne Vorbehalte genähert haben, fiel die Wahl der Jury unter 14 eingereichten Stücken auf dieses bewegende Feature. In der Jury: Christiane Glas, Feature-Redakteurin NDR, Rainer Kahrs, Feature-Autor und Journalist und Sandra John, Publikumsgast des Bremer Hörkinos.

Bereits fünf Mal wurde der Hörkino-Preis für Hörfunk-Autoren ausgelobt. Neu an diesem Preis ist, dass es sich dieses Jahr um einen Debütpreis handelt. Zum 14-jährigen Hörkino-Bestehen zeichnen die Initiatoren Beate Hoffmann und Charly Kowalczyk Autoren aus, die sich zum ersten Mal an die lange Form von Radiostücken gemacht haben.

www.weser-kurier.de/

Laudatio
Von Rainer Kahrs für die Jury

Lassen Sie mich bevor wir gleich das Feature „Dein Mitarbeiter, Dein Feind“ gemeinsam hören, ein paar Worte wiederholen, die in der Jury fielen, als wir das Feature diskutierten.

Das Wort „beharrlich“ fiel, „eindrucksvoll“ und „hartnäckig“, aber auch: „einfühlsam“. Die beiden Autoren fragen nämlich nicht nur gut nach, sie schaffen auch eine Atmosphäre, in der die Interviewten bereit waren, etwas von sich preiszugeben.

Zum Beispiel Murat Günes, Betriebsrat, er ist ein Kämpfer, aber auch etwas müde vom ganzen Kampf. Günes ist seit Jahren seinen Firmenchefs ein Dorn im Auge. Wegen seiner hartnäckigen Haltung als Betriebsrat. Sein Arbeitgeber will ihn also loswerden und sucht Kündigungsgründe. Am Besten geht so was wenn man dem Arbeitnehmer vorgetäuschte Krankheiten vorwirft. Dazu ein Zitat aus dem Observationsprotokoll eines Privatdetektives, der von der Firmenleitung beauftragt wurde:

„Um 15:04 Uhr parkt Herr Murat Günes hinter dem Gebäude in einer Parkbucht. Insgesamt läuft Herr Murat Günes mit seiner Sportumhängetasche 335 Schritte. Ein Fußleiden ist nicht zu erkennen.“

Großartige Recherche, findet die Jury. Die beiden Autoren Claas Christopher und Norbert Zeeb zeigen anhand von zugespielten Protokollen, wie wildgewordene Arbeitgeber auf detektivische Observation setzen, wenn sie Kündigungsgründe suchen.

Oder: Anne Müller Daniel Boldt Heiner Kuske.

Alle drei Betriebsräte aus anderen Betrieben. Sie leiden unter Schikanen. Sie würden bedrängt, isoliert, gemobbt. Laufend versuche die Betriebsleitung ihnen Fehlverhalten anzuhängen.

Noch ein Zitat aus dem Feature: Ein O-Ton von Marty Levit, er entwickelte in den USA Strategien für Schmutzkampagnen, mit ihnen sollten Gewerkschaften und ihre Leute fertig gemacht werden.

Zitat: „Eines habe ich dem Management immer gesagt: Man darf nie in die Defensive geraten. Also starte ich so viele Angriffe, dass die anderen den Blick für das wesentlich verlieren.

Claas Christophersen und Norbert Zeeb untertiteln ihr Feature mit der Zeile: „Strategische Kriegsführung im Betrieb“. Dieser Untertitel bleibt hängen. Ist das wirklich wahr? Kriegsführung?

Ja, ist es, sagen die beiden Autoren, und es gelingt ihnen sehr gut, uns Zuhörende mitzunehmen auf eine ziemlich trostlose Reise in einzelne norddeutsche Betriebe, wie dort versucht wird, Betriebsräte regelrecht zu zersetzen.

Das Feature hat bedrückt. Wie kann das sein, soviel Feindseligkeit. Und noch bedrückender: Das werden kein Einzelfälle sein, die die beiden uns da erzählen.

Ein preiswürdiges Feature. Denn die beiden Autoren bringen eine oft verdeckt liegende Wirklichkeit in unser Bewusstsein. Von wegen überall nette Sozialpartnerschaft im Land.

Die Jury befindet das Feature als preiswürdig, wegen der Recherche aber auch, weil es den beiden Autoren gelang, mit viel Respekt, Feingefühl und Behutsamkeit die Betriebsräte zum Erzählen zu bringen. Und weil die Autoren Beharrlichkeit und Biß und Haltung beweisen in ihren Recherchen.

Der Rüdi-Preis des Bremer Hörkinos 2017 geht an Claas Christophersen und Norbert Zeeb.

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