bremer hörkino

Radio-Geschichten live erleben

Rudolf Jacobs mit Familie und Autorin Ulrike Petzold (rechts)
Rudolf Jacobs Senior und seine Söhne

Mi, 13.05.2020

„Wofür er gekämpft hat, darauf war ich stolz“

Rudolf Jacobs Junior, Sohn von „Comandante Rodolfo“ im Radio Bremen-Feature, lebt nicht mehr.

Als vor wenigen Wochen, am 4. März, im Bremer Hörkino mein Radio Bremen-Feature über Rudolf Jacobs vorgestellt wurde, hörte und diskutierte die Familie des Bremer Wehrmachts-Soldaten mit: Sohn Rudolf, 83 Jahre alt, die Tochter und ihre Kinder. Drei Generationen folgten der Geschichte vom Vater, Groß- und Urgroßvater, vom Bremer Marine-Offizier, der 1944 in Norditalien desertierte, zu den Partisanen ging, gegen deutsche Besatzer und Mussolini-Soldaten kämpfte und, 30-jährig, bei einem Angriff auf italienische Faschisten am 4.11.1944 erschossen wurde.

Dieser 5. März war die letzte Begegnung mit Rudolf Jacobs Junior, einem der wichtigsten Gesprächspartner für mein Feature „Comandante Rodolfo-der Partisan aus Bremen“: Am 5. Mai ist er in der Nähe von Hamburg gestorben. Ohne ihn und seine Offenheit hätte man diese Geschichte kaum erzählen können. Mich hat beeindruckt, wie Jacobs mit fast 80 Jahren von seinem Vater erzählte, mit dem er nur sechs Jahre zusammen sein konnte und der so anders war, als die meisten Väter der Nazi-Zeit, der Kriegsspielzeug zum Fenster hinausschmiss und seinen Söhnen lieber Bauernwagen baute.

Ich erfuhr auch, wie nah Jacobs den Italienern war, die seinen Vater bei einem Ehrenmal auf dem Friedhof des norditalienischen Städtchens Sarzana bestattet haben, dort, wo der „Gute Deutsche“ noch heute eine Legende ist. Er schwärmte von den Menschen in den ligurischen Dörfern, die ihm, dem Sohn des „Tedesco“, „Rodolfo, Rodolfo“ zuriefen, weil sie in ihm mit seiner schlanken Gestalt und dem vollen Haar den verehrten Vater wiedererkannten. „Wofür er gekämpft hat, darauf war ich stolz“, bekannte Jacobs „und wie man sich verhalten kann, wenn man Mensch ist.“

Deutlich war auch die tiefe Verletzung, wenn Jacobs Freunde und Bekannte erwähnte, die seinen Vater lange nach dem Krieg als Vaterlandsverräter verächtlich machten.

Ich konnte natürlich nur Ausschnitte aus dem Leben von Rudolf Jacobs kennenlernen, habe aber gespürt, wie dieser Vater mit seiner riskanten Entscheidung gegen Faschismus und Krieg Haltungen geprägt hat und der Familie zum Vorbild wurde. Bei den Besuchen in seinem gastfreundlichen Haus, bei den langen Gesprächen und beim Stöbern in den Fotoalben ist mir der zugewandte, gradlinige Herr mit seiner Zivilcourage, Meinungsfreude und Heiterkeit ans Herz gewachsen. Wir waren für April verabredet, um an Orte seiner Kindheit zu fahren. Wegen der Corona-Pandemie mussten wir warten. Zu lange. Es bleiben wertvolle Erinnerungen.

Ulrike Petzold
12.5.2020
Für das Feature erhielt Autorin Ulrike Petzold jetzt den DRK-Medienpreis 2020.

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