Hörkino-Archiv 2004

Heide Schwochow

Rainer Schwochow
»Und die einen, die da schließen, und die anderen im Verschluss«
Lebensraum Knast – Die Lange Nacht des Strafvollzugs
Heide und Rainer Schwochow
Deutschlandfunk/DeutschlandRadio, 2002
Mauer, Stacheldraht, Wachtürme – das verschlossene Tor. Eine Beamtin drückt den Summer. Das Tor öffnet sich leise. Anmeldung durch die Glasscheibe, Ausweis abgeben, Handy ins Schließfach, Taschenkontrolle, Gang durch den Metalldetektor, unendlich lange Gänge. Die erste Begegnung mit Strafgefangenen. Sie erzählen ihre Geschichten, Opfergeschichten zumeist. Wer in dieser Welt lebt, wird vom Täter zum Opfer, denken wir. »Versucht, den Knast zu verstehen!«, sagt eine. »Hier gelten eigene Gesetze!« Wir gehen immer wieder hinein, besuchen unterschiedliche Anstalten, führen Gespräche mit Inhaftierten und Bediensteten. Es ist wie eine Reise in ein fremdes Land, ein Land hinter Gefängnismauern.

Eva Schindele
Hormonkrimi
Wie die Wechseljahre zur Krankheit wurden
Eva Schindele
Westdeutscher Rundfunk, 2003
Ewig weiblich. So wollte der Arzt Robert Wilson die Frauen ab 45 mit seiner Daueröstrogengabe halten. Das war 1966. Doch bald stellte sich heraus: die Frauen wurden nicht sexy, sondern krebskrank. Wenige Jahre später wurden die Sexualhormone im neuen Design und mit neuen Argumenten verkauft; jetzt sollten sie die Frauen gesünder altern lassen. Fortan werden Frauen ab 40 schlecht geredet: Ihnen wurde eine Hormonmangelkrankheit angedichtet. Pharmaindustrie, medizinische Meinungsbildner und Gynäkologen sangen den Lobgesang auf die Hormone. Eine Marketingstrategie, die zum Erfolg führte. Jede zweite Frau zwischen 50 und 60 schluckte, cremte, klebte die Präparate jahrelang. Studien zeigen, dass sie sich damit mehr geschadet als genutzt haben. Ein Krimi mit verschiedenen Akteuren.

Helmut Huber & Inge Braun
Willy Brandt – Der Kanzler, die Genossen und der Agent
Inge Braun und Helmut Huber
Rundfunk Berlin-Brandenburg/Südwestrundfunk, 2003
»Am 8.5.1974 wurde am Ortseingang Neustrelitz (F 96) aus Richtung Neubrandenburg ein von unbekannten Tätern angebrachtes Plakat in der Größe 30 x 50 cm mit der Aufschrift ›Willy-Brandt-Straße‹ festgestellt. So lautet ein Vermerk in den Akten der Staatssicherheit. Das Plakat war eines von vielen. Solidaritätsbekundungen für Willy Brandt in der DDR. Im Westen dagegen erntete Brandt für seine Politik der Entspannung Widerstand, der im Misstrauensvotum gipfelte. Dass dann ausgerechnet ein Spion aus Ostberlin den Anlass für den Rücktritt des Kanzlers lieferte, mag man als Ironie der Geschichte verbuchen. Die Ereignisse zwischen dem Tag, an dem Guillaume als Spion enttarnt wurde, und dem Rücktritt Brandts gehören nach wie vor zu den großen politischen Dramen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Das Feature zeichnet die turbulenten Wochen zwischen dem 24. April und dem 6. Mai 1974 nach.

Margot Overath
Das Geheimnis
Eine polnisch-deutsche Familiengeschichte
Margot Overath
Rundfunk Berlin-Brandenburg/ Südwestrundfunk/Westdeutscher Rundfunk, 2002
Das Geheimnis seiner Herkunft kann Richard erst mit 58 Jahren entschlüsseln. In Polen entdeckt er die Namen seiner Eltern auf einer Liste der Hauptkommission zur Untersuchung der Verbrechen am polnischen Volk. In Deutschland existiert ein Protokoll über die Hinrichtung seines Vaters durch ein SS-Standgericht. Richard wurde 1943 im polnischen Klaipeda geboren. 1944 floh seine Mutter mit ihm vor der Roten Armee nach Bayern. Eineinhalb Jahre später brachte ein Zug die beiden nach Polen. »Wir fahren nach Hause«, sagte die Mutter. Zurück zur Familie, mit der die Mutter 1940 ins Generalgouvernement deportiert worden war. Über Richards Vater sprach sie niemals. Erst nach ihrem Tod machte er sich – zusammen mit der Autorin – auf die Suche nach der Geschichte seines deutschen Vaters.

Charly Kowalczyk
Fleißig, billig, illegal...
Putzfrauen auf dem Weg von Ost nach West
Charly Kowalczyk
DeutschlandRadio, 2003
Sie kleiden sich unauffällig, meiden belebte Orte und fahren niemals schwarz. Sie sind misstrauisch und ängstlich. Ein Recht auf Krankheit, Urlaub und unbeschwertes Leben haben sie in der Fremde nicht. Ihre Heimat ist Zytomierz in der Ukraine oder Zielona Gora in Polen. Mit einem Touristenvisum ziehen sie von Ost nach West, um Wohnungen auf Hochglanz zu bringen. Der Bedarf an Haushaltshilfen ist groß. Nach inoffiziellen Schätzungen arbeiten allein in Deutschland ungefähr vier Millionen illegale Putz- und Pflegekräfte. Polinnen zieht es nach Deutschland, Ukrainerinnen nach Polen. Charly Kowalczyk hat viele Gespräche mit Frauen geführt, die sich und ihre Familien mit illegalem Putzen ernähren.

Dorothee Schmitz-Köster
Am kalten Ende der Welt
Mit der »Polarstern« vor Spitzbergen
Dorothee Schmitz-Köster
Radio Bremen/Norddeutscher Rundfunk/Deutschlandfunk, 2003
Minus 30 Grad, schweres Eis, Whiteout: Wer im März in die Barentssee aufbricht, muß mit solchen Bedingungen rechnen. Die 50 Wissenschaftler an Bord der »Polarstern« sind allerdings nicht zum ersten Mal in der Arktis – sie wissen, dass sich auf dem Forschungseisbrecher des Alfred-Wegener-Institutsgut arbeiten lässt. Trotzdem wird die Expedition schwierig: DasSchiff kommt nur mühsam voran, so dicht ist das Eis. Offene Wasserstellen, in denen die Eisbildung untersucht werden soll, sind kaum zu finden …
Dorothee Schmitz-Köster ist im Frühjahr 2003 vier Wochen langauf der »Polarstern« mitgefahren. In ihrem Feature entwirftsie ein Bild von der arktischen Natur und der modernen High-Tech-Forschung und bringt ein akustisches Panorama aus krachendem Eis und rauschender Stille zum Klingen.

Ruth Fruchtman
Der zionistische Traum
Das Ende einer Illusion
Ruth Fruchtman
Westdeutscher Rundfunk/Rundfunk Berlin-Brandenburg, 2003
»Die Juden, die wollen, werden ihren Staat haben. Und was wir dort nur für unser eigenes Gedeihen versuchen, wirkt
machtvoll und beglückend hinaus zum Wohle aller Menschen«, schrieb Theodor Herzl 1896 in seiner Broschüre »Der
Judenstaat«.
Der zionistische Traum von damals hat sich mittlerweile in
einen Alptraum verwandelt; ist zu einer zionistischen Tragödie geworden. Der Konflikt mit den Palästinensern und die täglichen
Verbrechen stellen die Grundsätze der zionistischen Idee in Frage. »Kolonialistisch, rassistisch, faschistisch« lauten die Vorwürfe
gegen die »nationale Befreiungsbewegung des jüdischen Volkes« heute. Ruth Fruchtman, selbst in einer zionistischen
Familie aufgewachsen, schildert die verschiedenen zionistischen Richtungen und setzt die Ansprüche von damals mit der Wirklichkeit von heute in Beziehung.