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Zoppe Voskuhl: Maler, Bildhauer und Vater von »Rüdi hört«

Mi, 15.09.2010

"Rembrandt nach einem Attentat“

Portrait

Er malt mit fröhlicher Farbigkeit, aber ohne Hintersinn ist kein Bild von ihm zu haben. Er hat die Skulptur „Rüdi hört“ für den Feature Preis „Bremer Hörkino“ erschaffen. Eine persönliche Annäherung an den Maler Zoppe Voskuhl.

Von Gisela Fuhrmann

Über 20 Jahre hatte ich die Gelegenheit Zoppe Voskuhl zu begegnen. An meine erste Ausstellung in Bremen, die ich von ihm gesehen habe, kann ich mich kaum erinnern. Aber geblieben ist damals schon der Eindruck künstlerischer Virtuosität und die kompromisslose Haltung, das zu malen, was ihn im Innersten berührt, auch auf die Gefahr hin, dass es sich nicht verkaufen lässt.

Was mich in den Bann gezogen hatte, waren seine figürlichen, schemenhaften Braunbilder. Vertreibung, Gewalt, Leid. Man ahnt es mehr, als dass man es sieht. Dieses Dahinter zu ahnen ist vielleicht etwas, was sich durch alle seine verschiedenen Phasen zieht, seien es die Neubilder oder auch die Rüdi-Bilder. Manchmal, wie bei den Neubildern, ist es die Melancholie, die Traurigkeit, die trotz aller fröhlichen Farbigkeit mitschwingt und die auch die historischen Zitate, die Zoppe Voskuhl verwendet, ihrer Eindeutigkeit beraubt. Große stattliche Figuren in den Neubildern, die eine Bahre mit vielen bunten Blumen zwischen sich tragen, Ode an die Schönheit der Natur oder ein Hinweis auf deren Zerstörung? Auf einer Bahre trägt man Verletzte. Wenn die Baumträger, ein immer wiederkehrendes Thema, die Bäume tragen, Bäume, die Leben symbolisieren oder an die Metapher erinnern, stehe fest im Leben wie ein Baum, dann wird jedem Menschen ein Baum zugeordnet. Aber dadurch, dass die Menschen sie fällen, um sie sich auf den Rücken zu schnallen, töten sie gleichzeitig das blühende Leben und hinterlassen ein Gefühl der Irritation. Ich weiß nicht, was der Künstler sich dabei gedacht hat und ich halte es gar nicht für so wichtig, das zu wissen, aber es ist ein Beispiel wie viel Raum seine Bilder dem Betrachter geben und wie sehr sie ihn im Zweifel lassen.

„Rüdis“ – mit Liebe zum schwarzen Humor

So geschehen auch mit den niedlichen, kleinen allegorischen Rüdis. Hübsch, bunt, verspielt und arbeitsam, so kommen sie daher und enden mitunter aufgespießt, geknechtet, Spiegelbilder aller menschlichen Abgründe, Sinnbilder aller menschlichen Leiden und Leidenschaften, Liebe und Lust, Gewalt und Zerstörung, aber auch Heiterkeit und Verspieltheit? Nie ist man sich sicher, ob dieses Bild tatsächlich einmal die Leichtigkeit und Fröhlichkeit darstellt, die man zuerst in ihm vermutet, oder ob man selber nur eine Kleinigkeit übersehen hat, die Zoppe Voskuhl mit einem gewissen Sinn für schwarzen Humor an einer unauffälligen Stelle versteckt hat. Oder ob sich einem der Hintersinn erst bei längerer Betrachtung erschließt. Immer hinterlässt der Maler diese Irritation, lässt einen grübeln und erweckt die widersprüchlichsten Gefühle.

Zoppe Voskuhl ist ein Künstler par excellence. Und so wundert es mich nicht, wenn ich auf meine Nachfrage genau die folgende Antwort erhalte. Alle Kinder malen eigentlich ab einem bestimmten Alter, erzählt er, nur dass er dann mit dem Malen nie wieder aufgehört hat. Seine Eltern waren darüber wenig erfreut, denn es waren solide Leute, die sich für ihren Sohn eine gute Ausbildung mit gesichertem Auskommen wünschten. Und obwohl Zoppe Voskuhl sich immer dagegen gewehrt hat, schafften die Eltern es, dass er eine Lehre als Schriftsetzer anfing. Er hat sie nicht ordentlich beendet, sondern ist nach einem Jahr ausgestiegen. Und doch hat er sich später noch zur Prüfung angemeldet, auf die er sich selber vorbereitet und die er auch bestanden hat. So ist der Maler Zoppe Voskuhl zugleich noch Schriftsetzergeselle. Eine kleine Geschichte am Rande, aber nicht unbedeutend, wenn man sich ihm annähern möchte.

Sonderbegabtes künstlerisches Talent

Manchmal kann sein Eigensinn ihm auch, wie in seiner Jugend geschehen, zum Nachteil gereichen. Er war gerade erst 14. Ohne fremde Hilfe bewirbt er sich bei einer Sonderbegabtenprüfung für künstlerische Talente in Nordrhein-Westfalen, an der über 200 Bewerber teilnehmen. Verrückt kam ihm das damals schon vor, als er mit seiner kleinen Malerausrüstung zwischen den gut ausgestatteten Bewerbern sich bewegt. Drei Tage Praxis, ein Tag theoretische Prüfung - am Ende gehört er zu den wenigen Auserwählten und hatte damit freien Zugang, an jeder Kunsthochschule in NRW zu studieren. Dass er diese große Chance nicht genutzt hat, ist ihm heute selber nicht recht, aber er hatte sich zum ersten Mal verliebt und wollte nicht aus Ostfriesland fort.

Nach seinem Abitur und der Lehrzeit arbeitet er für ein Jahr tagsüber als Tagelöhner im Hafen von Emden, während er nachts malt. Danach bewirbt er sich in Bremen zum Studium der Malerei und studiert anschließend bei Professor Greune. Trotz ihrer unterschiedlichen Stilrichtungen gibt es zwischen ihm und seinem Ausbilder eine große Übereinstimmung in der gemeinsamen Beurteilung von Bildern und eine gegenseitige Anerkennung ihrer Kunst. Zoppe Voskuhl bekommt 1983 den Bremer Förderpreis. Danach gehört er zu den Bremer Künstlern, die im Gegenleistungsmodell des Senats, eine Eliteförderung nach holländischem Vorbild, gefördert werden. Die Künstler bekommen ein gutes Gehalt und müssen dafür jährlich Arbeiten an die Stadt abtreten.

Spiel mit vielen Materialien

Sich darin einzurichten, hätte nicht zu Zoppe Voskuhl gepasst. Er verabschiedet sich von seiner bis dahin eher naturalistischen Malerei und beginnt „Braunbilder“ zu malen. Sehr zum Unmut des damaligen Bremer Kurators, der seine neuen Braunbilder mit den Worten verreißt, das sehe ja aus wie „Rembrandt nach einem Attentat“. Und damit bestätigt er gerade die Absicht des Künstlers, in den Braunbildern das zerstörerische Element mit einzubringen. Die damals so vehement abgelehnte schwere Inhaltlichkeit der Bilder ist in der heutigen Zeit längst akzeptiert.

Zoppe Voskuhls Weg führt anschließend aus privaten Gründen nach Paris. Wäre es nach ihm gegangen, so hätte ihn die Londoner Kunstszene mit ihren zeitgenössischen Künstlern wie z. B. Francis Bacon, Frank Auerbach oder David Hockney wesentlich mehr gereizt als das historische Paris. Seine weitere Stationen sind Hannover und schließlich Berlin, wo der Maler seit 1995 lebt und arbeitet.

Über die Jahre ist die Liste seiner Ausstellungen sehr lang geworden, die Zahl seiner künstlerischen Werke ebenso. Zoppe Voskuhl sprüht vor Kreativität und bleibt nicht bei einer Ausdrucksform. Bei einem Besuch in seinem Atelier im Berliner Stadtteil Kreuzberg fällt einem neben den riesigen Mengen von Bildern seine spielerische Kreativität auf. Kleine Skulpturen fertigt er mal eben so wie nebenbei an, als würde er in einer malerischen Pause sich damit die Zeit vertreiben. Überhaupt gibt es, so scheint es, bei ihm keinen Mangel an Einfällen. Darüber hinaus fertigt er unzählige Zeichnungen, Radierungen und Linolschnitte an, dabei verwendet er vielerlei Materialien, alles regt ihn an, es in eine künstlerische Form zu bringen.

Großformate mit Körpereinsatz

Schon während des Studiums hatte er mit Kulissenmalerei für Schausteller sich Geld verdient. Er hantierte mit überdimensionalen Formaten, die oft unter Zeitdruck erstellt werden mussten. Wenn Zoppe Voskuhl heute ein Bild entwirft, so ist es bei ihm im Kopf bereits vollständig vorhanden, sodass es keiner Vorentwürfe bedarf, sondern er direkt auf die Leinwand malt. Seine malerische Virtuosität ist in den Bildern zu spüren. Gute Realisierung mit Schnelligkeit bei hoher Präzision, ist die Herausforderung, der er sich immer neu stellt und das Resultat einer jahrelangen künstlerischen Praxis. Diese Dynamik macht seine oft auch großen Formate so reizvoll. Großformate erzeugen für ihn ein Körperverhalten was Lösungen bringt, die sonst nicht möglich wären. Oft arbeitet er stundenlang ohne Pause.

Nach meinem letzten Besuch bei ihm im Atelier blieb das Gefühl zurück, noch viel zu wenig von ihm gesehen zu haben, und ich sinnierte über eine große Werkausstellung, wo es möglich wäre, endlich an einem Ort seine unterschiedlichen Werke betrachten zu können. Zoppe Voskuhl steht lange schon im Fokus der Aufmerksamkeit. Seine unzähligen Ausstellungen sind im Internet nachzulesen. Vor allem auch die Rüdi-Bilder sind es, die nach anfänglicher Irritation ins Herz geschlossen werden und die Sammelleidenschaft erwecken. Vom 7.10. bis 10.10.2010 wird er in einer Einzelschau von der „Galerie Vielkunst“ auf der „Berliner Liste“ der internationalen Kunstmesse in Berlin dem Publikum vorgestellt.

Alle zwei Jahre vergeben die Initiatoren des bremer hörkinos, gemeinsam mit den Bremer Stadtwerken, den (Hörfunk) Feature Preis „Bremer Hörkino“. Bewerben können sich Autorinnen und Autoren, die ihren Erstwohnsitz in Bremen oder in Niedersachsen haben. Neben dem Preisgeld von 1.000 Euro gibt es die Skulptur „Rüdi hört“ von Zoppe Voskuhl. Vor allem die Skulptur würden die Autoren liebend gerne mit nach Hause nehmen. Rüdi steht auf einem Bein, guckt mit großen Augen und hat die Hände an den großen Ohren. Man möchte ihn am liebsten anfassen, berühren, mit ihm sprechen – und Rüdi hört -

Die laufenden und kommenden Ausstellungen von Zoppe Voskuhl:
Kunstverein Norden 26.09. - 12.11.2010
Berliner Liste (Kunstmesse - Münze Berlin) – Einzelschau: 07.10-10.10.2010
Kunstverein Essenheim 15.10 - 07.11.2010

Kontakt:
zoppevoskuhl@web.de, www.zoppe-voskuhl.de

Gisela Fuhrmann

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