„Jetzt, wo ich meine Lebensgeschichte abschließend betrachte, möchte ich hervorheben, dass ich mit 22 Jahren völlig alleine blieb; ich verlor Vater, Mutter, zwei Brüder, das Zuhause. Aber ich hatte meinen Arzt-Beruf, der mir das Leben rettete.“
Die schicksalhafte Beziehung mit Deutschland begann für die jüdische Familie Rogosa aus der südukrainischen Kleinstadt Kachowka bereits im ersten Weltkrieg. Im Haus der Eltern wurden 1918 deutsche Soldaten einquartiert. Die Eltern hatten ein so gutes Verhältnis zu diesen Männern, dass sie 1941 vor den Nazis nicht flohen. Ihre Tochter Irina Rogosa, die Mutter des Autors, rückte dagegen 1945 als Lazarettärztin mit der siegreichen Roten Armee in Berlin ein. 1974 emigrierte sie aus der Sowjetunion nach Köln. Als Opfer fühlte sie sich nie.
Eine ukrainisch-deutsche Spurensuche durch ein Leben, so tragisch und wechselvoll wie das Jahrhundert.
Mark Zak, Schauspieler und Autor wurde 1959 in der UdSSR (Ukraine) geboren und kam 1974 mit seiner Familie in die Bundesrepublik.
Er schrieb u.a. mehrere Hörspiele und Features für den WDR und DLF. Als Schauspieler hat er in über 100 deutschen und internationalen Filmen mitgewirkt. Mark Zak lebt in Köln.
Peter Kreysler
Mittwoch, 1. März 2023
Nachhaltige E-Mobilität?
Doku über ein großes Versprechen
Peter Kreysler / Westdeutscher Rundfunk / ARD-Radiofeature, 2022
Verbrenner raus – Elektromotor und Batterien rein. So malen Automobilindustrie und Verkehrsminister gerne die Zukunft des PKW. Doch die Verheißung ist nicht nur unrealistisch, sie leistet auch neuem Raubbau an der Natur Vorschub. Der rasche Umstieg auf Elektromobilität ist alternativlos, um die Klimaerwärmung zumindest zu bremsen. Auch wenn hinter den Kulissen um eine möglichst lange Gnadenfrist für den Verbrenner gerungen wird, weil sich mit ihm noch immer besser verdienen lässt.
Problematischer ist, dass oft der Eindruck erweckt wird, es gehe im Wesentlichen darum, den Auspuff ab- und einen Elektromotor einzubauen. Zwei Milliarden PKW weltweit mit tonnenschweren Batterien auszustatten, würde zu neuen ökologischen Katastrophen führen. Doch das schafft neue Abhängigkeiten, unter anderem von Russland. Neue Techniken helfen. Öfter Fahrradfahren auch. Doch ohne Kreislaufwirtschaft, verantwortbaren Handel sowie alternative Verkehrskonzepte, bleibt das Versprechen von der nachhaltigen E-Mobilität eine große Illusion.
Peter Kreysler lebt in Berlin, recherchiert investigativ für Radio- und Fernseh-Dokumentationen, die mehrfach ausgezeichnet wurden. Autor des ARD-Radio-Features: »Virtuelle Propaganda – Doku über digitale Stimmungsmache im Wahlkampf« und der ARD TV-Doku »Wahlkampf undercover«. Seit Jahren setzt er sich mit Thema der Rohstoffabhängigkeit auseinander.
Julia Tieke
Mittwoch, 5. April 2023
Tschüss, AKW!
Eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Atomausstieg
Julia Tieke / Deutschlandfunk Kultur, 2023
Wie ist es, direkt neben einem AKW aufzuwachsen? Und was passiert in der Heimatstadt, die aus der Kernkraft auch ihren Wohlstand zieht, wenn abgeschaltet wird? Die Autorin ist in Lingen groß geworden und hat die Stadt ein Jahr lang beim Abschied vom AKW begleitet. Ein turbulentes Jahr, das mit einer Demo vor der örtlichen Brennelementefabrik beginnt und an Silvester schließlich nicht mit dem Atomausstieg endet.
Das Radiofeature kombiniert persönliche mit stadthistorischen, aktuellen und reflektierenden Perspektiven. Die Autorin trifft zum Beispiel den Oberbürgermeister, der ihr Musiklehrer war, ihren Physiklehrer, der ihr den Lehrmittel-Schrank mit radioaktiven Proben gezeigt hatte.
Es gibt eine Tonaufnahme der Großmutter von 1985, den Klang im Industriepark Süd, diverse Demonstrationen und Mahnwachen sowie einen Disney-Film, der 1964 im Lingener Kolpinghaus die Freundschaft zwischen Mensch und Atom propagierte.
Julia Tieke studierte Kulturwissenschaften und künstlerische Praxis sowie Islamwissenschaft. Sie ist Projektleiterin der »Wurfsendung« von Deutschlandfunk Kultur und arbeitet künstlerisch und journalistisch zu Themen rund um Kunst, Musik, Migration, Klang und Stadt.
Christian Lerch
Mittwoch, 3. Mai 2023
Rechtsextremismus in der Bundeswehr
Franco A. – Soldat und Terrorist
Christian Lerch / Westdeutscher Rundfunk / Österreichischer Rundfunk, 2022
Im Winter 2017 wird der Bundeswehrsoldat Franco A. am Flughafen Wien von einer Spezialeinheit festgenommen. Der Mann soll einen Anschlag geplant haben. Handelte er allein?
Ehrgeizig macht der Offenbacher Franco A. Karriere in der Bundeswehr. Dass Franco A. unter Kameraden als rassistisch und antisemitisch bekannt ist, bleibt ohne Konsequenzen. 2015 nimmt er die Identität eines Geflüchteten an. Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt: Franco A. plante eine »false flag operation«, einen Anschlag mit gefälschter Identität, um Angst und vor allem Hass auf Geflüchtete zu schüren.
Nur durch puren Zufall – den Fund einer versteckten Waffe am Wiener Flughafen – scheitert der mutmaßliche Plan frühzeitig und er wird verhaftet. Oberleutnant Franco A. wird 2021 wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat angeklagt. 2022 wird er zu 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt und ist damit der erste verurteilte Rechtsterrorist der Bundeswehr.
Christian Lerch , am Bodensee geboren, ist Journalist und Feature-Redakteur beim SWR. Für seine Arbeiten erhielt er zahlreiche internationale Auszeichnungen, u. a. den silbernen Award des »New York Radio Festivals« für »Illegale Drogen töten« und den »Prix Europa« für »Papa, wir sind in Syrien«. Lerch lebt und arbeitet in Berlin und Wien.
Gudrun Fischer
Mittwoch, 7. Juni 2023
Strammstehen auf dem Schulhof
Bolsonaros Erbe
Gudrun Fischer / Deutschlandfunk, 2022
Präsident Jair Bolsonaro will Zucht und Ordnung an brasilianischen Schulen. Dafür setzt er Soldaten ein. Kurz vor den Wahlen ist sein neues Schulmodell umstrittener denn je.
Disziplin und Ordnung, das ist das, was viele extrem Konservative, aber auch Teile der ärmeren Schichten, sich für ihre Kinder wünschen. Viele haben ihren Nachwuchs in den neuen zivil-militärischen Schulen angemeldet, die Bolsonaro im ganzen Land gegründet hat. Die Schulen sind Ausdruck der schleichenden Militarisierung der Gesellschaft, die der Präsident in seiner Amtszeit vorangetrieben hat – und ein Erfolg. Doch es gibt auch Gegenwind. Kritikerinnen und Kritiker sehen in den Schulen eine Gefahr für die Demokratie und ein Einfallstor für autoritäres Gedankengut schon bei den Jüngsten.
Gudrun Fischer ist im Süden Brasiliens aufgewachsen und ursprünglich Biologin. Als Radiojournalistin ist sie auf Brasilien spezialisiert und verbringt einen Teil des Jahres in Bremen, den anderen in Rio de Janeiro.
Marie von Kuck
Mittwoch, 6. September 2023
Ihre Angst spielt hier keine Rolle
Wie Familiengerichte den Schutz von Frauen aushebeln
Marie von Kuck / Deutschlandfunk / Südwestrundfunk / Westdeutscher Rundfunk, 2022
Er klagt vor Gericht. Er verlangt das alleinige Sorgerecht. Wenn sie gehen wolle, müsse sie die Kinder bei ihm lassen. Sie beteuert, dass er gefährlich sei, dass sie Angst vor ihm hat – und Angst um ihre Kinder. Doch das Gericht glaubt ihr nicht und gibt ihm Recht.
Eine Ehe ist zum Albtraum geworden. Der Mann quält und misshandelt seine Frau. Schließlich flieht sie mit den gemeinsamen Kindern. Doch der Albtraum nimmt kein Ende, denn er verfolgt sie weiter. Schließlich zieht er vors Familiengericht: Wenn sie ihn verlässt, dann will er die Kinder. Er verlangt das alleinige Sorgerecht.
Das Feature erzählt die Geschichten von Frauen zwischen Gewalttätern, Familiengerichten und Jugendamt. Von Frauen, die gefangen sind zwischen der Angst vor der Gewalt und der Angst um ihre Kinder. Und von Gerichten, die ihnen nicht glauben.
Marie von Kuck , in Leipzig geboren, war in der DDR-Oppositionsbewegung aktiv. Sie schreibt Hörspiele, Reportagen und Features. Viele davon preisgekrönt. So erhielt sie den Deutschen Sozialpreis, den DRK-Medienpreis, den Dokka und den Otto-Brenner-Preis. Ihr Feature »Ihre Angst spielt hier keine Rolle« wurde 2022 mit dem Prix Europa ausgezeichnet.
Patrick Batarilo
Mittwoch, 4. Oktober 2023
Von leeren Häusern und neuer Hoffnung
Alleinsein im Alter
Patrick Batarilo / Südwestrundfunk, 2022
Wie fühlt sich Alterseinsamkeit an? Fünf alleinstehende Frauen erzählen, wie sie sich gegen Momente der Verzweiflung wehren und wie es ihnen gelingt, dennoch ein erfülltes Leben zu führen.
Seit der Vater des Autors gestorben ist, lebt seine 77-jährige Mutter allein in einem großen Haus voller Erinnerungen. Sie ist eine offene unternehmungslustige Frau – und trotzdem überkommt sie am Ende des Tages oft die Einsamkeit und das Gefühl, in einer Sackgasse angekommen zu sein.
Das Haus ist viel zu groß, die Kinder leben in anderen Städten. Die Kraft ist noch da, aber wie lange noch? Die Mutter und vier ihrer Freundinnen erzählen, wie sich das anfühlt – Alterseinsamkeit. Wie wehren sie sich gegen die Momente von Verzweiflung? Wie gelingt es ihnen, erfüllt zu leben – und das Alleinsein sogar zu genießen?
Patrick Batarilo , in Waldshut geboren, ist ein deutscher Schriftsteller und Hörfunkautor mit kroatischen Wurzeln. Er studierte in Berlin, Frankreich und den USA Kultur- und Theaterwissenschaft. Anschließend arbeitete er als Redakteur beim SWR2 und moderiert dort bis heute das »SWR2-Tandem«. Als freier Hörfunkautor hat er für Radio-Dokumentationen Vietnam, die Türkei, Israel, Mexiko, Argentinien, Westafrika und Kroatien bereist.
Vito Pinto
Mittwoch, 1. November 2023
Der unvollendete Kampf der Petra Kelly
Vito Pinto / Südwestrundfunk, 2022
Petra Kelly war die schillerndste Figur der Ökologie-, Friedens- und Anti-Atom-Bewegung der 1970er- und 80er-Jahre. Die Mitbegründerin der Partei Die Grünen agierte global als eine Menschenrechtsaktivistin, Feministin, radikale Pazifistin sowie einflussreiche Unterstützerin der DDR-Bürgerrechtsbewegung.
Kelly war international sehr erfolgreich und medial präsent. Mit dem Einzug der Grünen in den Bundestag 1983 geriet sie jedoch in ihrer Partei zunehmend ins Abseits. Dabei ging sie nahezu keinem Konflikt und keiner ebenso spektakulären wie medienwirksamen Aktion des gewaltfreien zivilen Ungehorsams aus dem Weg. Dennoch scheiterte Petra Kelly bei den Grünen an ihrem unnachgiebigen Wesen sowie am zermürbenden Flügelkonflikt zwischen den sogenannten »Fundis« und »Realos«.
Das Feature zeichnet das Leben der 1992 von ihrem langjährigen Partner Gert Bastian getöteten Politikerin nach, deren Ideen und Wirken bis heute nachhallen. Petra Kelly wäre am 29. November 2022 75 Jahre alt geworden.
Vito Pinto lebt in Berlin und ist derzeit als (Feature-)Autor, Kulturarbeiter, Dozent und Lektor tätig. Der Theaterwissenschaftler arbeitete u.a. am Seminar für Kultur- und Medienmanagement der FU Berlin und gehörte 2022 zur dreiköpfigen Jury zum Hörspiel des Monats/Hörspiel des Jahres der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste.
Autorengruppe (siehe unten links)
Mittwoch, 6. Dezember 2023
Einsamkeit inklusiv
Eine Radiowerkstatt
Von Ellen Stolte, Andy Müller, Katharina Mickley, Thomas Hartmann, Frank-Daniel Nickolaus, Marianne Schnakenberg, Hedwig Thelen und Charly Kowalczyk / Deutschlandfunk, 2023
Ein Radioprojekt, sechs Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen. Gemeinsam mit dem Journalisten Charly Kowalczyk und der Projektkoordinatorin Hedwig Thelen ziehen sie als Reporterinnen und Reporter los, um die Themen zu beackern, die sie am meisten beschäftigen: Einsamkeit.und Selbstbestimmung.
Thomas hat das Down Syndrom und wünscht sich eine Frau. Warum gibt es kein Dating-Portal für Menschen mit Behinderungen? Bundesfamilienministerin Lisa Paus muss im Interview einräumen, dass das wohl nicht wirtschaftlich wäre. Und sie gibt zu, dass sie sich manchmal allein gefühlt hat. Nick kann nach einem Unfall kaum noch gehen und leidet an epileptischen Anfällen, Marianne ist einfach nur alt. Mit ihrem ganz eigenen Blick und ihren persönlichen Geschichten gehen die sechs einem Problem nach, das die ganze Gesellschaft betrifft – mit zunehmender Tendenz. Sie fahren nach Berlin, konfrontieren Politiker und Fachleute mit ihren unkonventionellen Fragen: Und bringen sie damit immer wieder aus dem Konzept.
Dieses Radio-Projekt entstand auf Initiative des Martinsclubs Bremen, einer Organisation, die sich für Inklusion einsetzt. Drei Jahre lang wurde es von dem Rundfunkjournalisten Charly Kowalczyk begleitet. Herausgekommen ist ein ungewöhnliches Radiofeature, das von allen Autorinnen und Autoren gemeinschaftlich entwickelt wurde.
(Foto: Behindertenbeauftragter)
Von links: Charly Kowalczyk, Hedwig Thelen, Marianne Schnakenberg, Thomas Hartmann, Katharina Mickley, Ellen Stolte, Andy Müller, Frank-Daniel Nickolaus, und Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung