Do, 12.07.2012
„Erst im zweiten Schritt bin ich Herr über die Töne“
Er hat schon als junger Autor einigen Wirbel verursacht. Er begibt sich mitten ins Geschehen mit seinem Mikrofon und scheut sich nicht, seine eigene Unsicherheit zu zeigen. Zwei Mal hintereinander hat er den Prix Europa gewonnen. Jens Jarisch im Gespräch über den subjektiven Faktor und den Reiz des Unvorhersehbaren.
Was reizt Dich am Genre Feature?
Dass ich bei jedem Produktionsschritt fast alles selber in der Hand habe. Ich kann Fragen stellen, die ich mich privat nie trauen würde zu fragen. Dann macht es mir Spaß, mir Gedanken über die Dramaturgie zu machen und sogar Schauspieler fürs Sprechen wählen zu können. Wenn man einen Film machen würde, wäre man nur an einzelnen Schritten beteiligt.
Das andere, was mich am Feature wahnsinnig fasziniert ist, dass ich oft emotionale Erlebnisse vermitteln kann für Hörer. Ein Film hält einen mehr außen vor, weil es da diese Bildebene gibt, die wie eine Wand wirken kann, während das Hören sehr reinziehen kann in das, was ich als Autor glaube erlebt zu haben.
Du hast früher ein Studio aufgebaut, um Musik zu machen. Wie bist Du beim Feature gelandet, bist Du da so rein gepurzelt?
Das ist ein gutes Wort. Gepurzelt bin ich. Also ich hab damals Germanistik studiert im Luxus des Nichtwissens, was ich damit anfangen kann. Ich habe versucht Kurzgeschichten zu schreiben. Und das ging ganz rapide auf den finanziellen Ruin zu. Und dann sagte jemand: „Mach das Gleiche doch fürs Radio, die haben Geld“ - was ne Lüge war.
Ich habe in einer Band gespielt und ich hatte eine technische Ahnung wie man O-Töne mischen könnte. Und so hab ich dann angefangen zu experimentieren, lange bevor ich mit einer Feature Redaktion in Berührung kam. Und als ich dem Deutschlandradio und dem SFB ein Demo vorgespielt habe, haben beide Redakteurinnen gesagt: „Das ist totaler Schrott, der Text und das Thema. Aber die Töne klingen toll und könntest Du nicht mehr davon machen?“
Die Ästhetik, die Form, was gerade angesagt ist, verändert sich ständig beim Feature. Erst war der Erzähler wichtig, dann sollte es möglichst ein O-Ton Feature sein, heute ist es die Atmo, überall soll man als Autor mittendrin sein. Welche Form bevorzugst Du?
Was ich immer probiert habe ist, ohne Erzähler auszukommen. Das habe ich nie geschafft. Mir ist aber wichtig, Emotionalität herzustellen, möglichst über Geräusche, über Atmos und notfalls mit Musik. Aber nicht auf die Hollywood Tour, dass man sich als Hörer manipuliert fühlt, sondern eher dass die Musik gegen die Stimmung arbeitet.
Was war Dein erstes Feature?
Brigitte Kirilow vom Deutschlandradio suchte dringend eine halbe Stunde zu füllen in ihrem Programm, das um Prostitution ging. Was ihr fehlte war ein Porträt von einer minderjährigen Prostituierten und sie fragte mich, ob ich eine kenne. Ich sagte: „Klar, haufenweise“ und so hatte ich meinen ersten Auftrag. Aber ich hatte natürlich keine minderjährige Prostituierte, die musste ich dann finden. Da habe ich viel Lehrgeld zahlen müssen, weil ich sehr unbedarft rangegangen bin.
Wie suchst Du Dir Deine Themen?
Entweder sind es Themen aus meinem ganz persönlichen Leben - etwas, was mich irritiert und ich suche darin einen Punkt, der eigentlich jeden interessieren müsste. Und der andere Auslöser für ein Feature sind die Medien selbst. Wenn ich als Zeitungsleser irritiert bin, dass bestimmte Fragen nicht beantwortet werden, dann ist das eine hervorragende Chance für ein Feature. Das könnte das Flüchtlingsdrama sein von afrikanischen Getriebenen, die die waghalsige Fahrt über das Mittelmeer suchen.
Ich habe ein Feature über die deutsche Staatsverschuldung gemacht und gefragt: Was passiert eigentlich mit uns ganz persönlich, mit unserem Leben, mit unseren Berufen, mit unseren Wohnungen?
Hast Du den Eindruck, dass das Feature auch als medienkritisches Instrument genutzt wird, oder nur „zur Befriedigung“ von Autoren-Bedürfnissen?
Ich wünsche mir mehr politische und sozial-politische Themen, die im Heute spielen. Es gibt zu viele historischen Themen in Features, die haben alle auch ihre Berechtigung, aber ich finde, Geschichte lässt sich in Features gar nicht erzählen. Und ich finde ich auch, dass viele Literatur-Nischenthemen verarbeitet werden. Mir brennen viele aktuelle Themen unter den Nägeln.
Du hast ja zwei Mal hintereinander den Prix Europa gewonnen. Wie haben sich die Erwartungen von Redaktionen an Dich und auch an Dich selbst ausgewirkt?
Die Erwartungen von Redaktionen waren recht hoch, auch von Redakteuren, die sich vielleicht erhofft haben, dass ein Feature mit mir einen Preis bekommt. Aber wenn, dann war es sehr dezent und unausgesprochen. Den meisten Druck hab ich mir selber gemacht. Ich langweile mich sehr schnell, das hilft mir auch selbstkritisch zu sein bei den Features. Und es gibt einen technischen Perfektionsanspruch. Diese zwei Prix-Europa-Preisfeature waren auch relativ „dreckig“. Und nachher hab ich versucht, noch besser, noch cleaner zu werden. Diesen Weg habe ich auch bei vielen Bands beobachtet, die ein tolles Album rausgebracht haben und dann hatten sie plötzlich viel Geld und konnten sehr aufwändig produzieren - dann kam dieses Feeling nie wieder. In die Falle bin auch ein bisschen gegangen, deswegen hab ich mich sehr gefreut, dass noch einmal so ein großer Preis kam mit dem Prix Italia.
Hast Du versucht, eine „Dreckigkeit“ zu behalten? Oder hast Du sie sogar hinterher hergestellt, aus Angst vor der „leblosen“ Perfektion?
Nachträglich nicht. Mein Credo ist, dass ich möglichst das was ich erlebt habe wiedergebe und nicht das, was ich aufgenommen habe. Die Sinne erfassen ja viel mehr als die akustische Ebene. Und natürlich verändere ich den O-Ton, wenn ich ihm was hinzufüge, zum Beispiel Musik, aber man kann auch mit O-Tönen etwas das hintereinander passiert überlagernd darstellen und inszenieren.
Wie beim Rap so ein Knistern wie bei der Schallplatte wieder runter zu legen, obwohl alles digital produziert wurde, das würde ich nicht machen. Bei meinem letzten Feature habe ich die Studiotöne ein bisschen unsauberer gemacht, weil es zu dem 80iger Jahre Thema gepasst hat. Ich bemühe mich, von der Überproduziertheit weg zu kommen, darauf zu achten, wie ist die Situation und nicht Leute, die man interviewt zu stoppen, weil sie vielleicht nicht gerade gut klingen. Und wenn ich gerade das Gefühl habe, jemandem ins Wort fallen zu müssen, ja dann tue ich es halt und achte darauf, dass ich es so aufnehme, dass ich es auch so abspielen kann.
Welche Bedeutung hatten für Dich die Preise, die Du bekommen hast?
Eine große. Ich fühle mich in einer Interview-Situation auch oft dumm, ich denke den Leuten zur Last zu fallen. Es ist schwer für mich, ein Selbstverständnis zu entwickeln und dieser große Preis-Applaus ist für mich eine wichtige Stütze. Ich habe ja Journalismus nicht studiert und mich nach einer Berechtigung gesehnt. Dafür sind die Preise ein schönes Symbol. Nebenbei haben sie mich auch noch finanziell gerettet. Als ich anfing Features zu verkaufen, an denen ich vielleicht ein Jahr gearbeitet habe, sah ich: Oh Gott leben kann ich davon überhaupt nicht und die Schulden wurden immer größer. Das Preisgeld hat mich aus dem Gröbsten rausgerissen. Hinzu kamen dann die Folgeaufträge und Übernahmen. Das zusammen hat mir ermöglicht weiter zu arbeiten. Sonst wäre ich wirklich grandios gescheitert.
Manche Autorinnen und Autoren bieten grundsolide Exposés in den Redaktionen an. Anderen lassen der Phantasie viel Raum. Wie machst Du das?
Nicht meine Trümpfe in den ersten zehn Minuten auszuspielen. Man muss die Hörer neugierig machen, das Thema in die Tiefe führen, um am Ende noch einen Knalleffekt zu haben. Nichts ist langweiliger als nur Erklärungen. Und natürlich sind Redakteure auch nur Menschen und wenn sie ein Exposé lesen, sollte das genauso funktionieren. Der Trick ist, nicht alles preiszugeben, den Redakteur neugierig zu machen und nicht nachhaltig beeindrucken zu wollen - dann wird’s leicht, das Exposé auf einer 2/3Seite zu schreiben.
Im Bremer Hörkino hat mal ein Feature-Macher pikiert darauf reagiert, dass er als Journalist bezeichnet wurde. Er legte Wert darauf Autor zu sein. Bist Du Autor, Journalist oder beides gleichzeitig?
Ich würde mich einfach als Feature-Macher bezeichnen. Das Spannende am Feature ist: bei der Recherche, bei der Themenfindung, bei den Interviews müssen wir agieren wie Journalisten. Also wenn wir da denken, wir sind Künstler oder Autoren, da haben wir die Hälfte des Berufes verfehlt. In der Darstellung sind wir freier eine Form zu finden für das, was wir erlebt haben. In meinem Stück über Adidas habe ich das in die Sendung mit reingenommen, was typisch ist für Asien: Da stehen vor der Fabrik Wächter, die mir als Journalisten salutieren mit Hand an der Mütze - und dass ich dabei ein flaues Gefühl im Bauch habe, ist eine wichtige Information.
Deswegen finde ich die Freiheit, die wir als Feature-Macher haben, ist eine, die sich alle Journalisten rausnehmen dürfen sollten. Denn auch wenn ich ein Zeitungsinterview mit einem Politiker lese und erfahre, ob der Politiker rosa Socken anhat, dann ist das auch eine Information.
Du giltst ja noch als junger Autor und hast unter 40 die Feature-Preise erhalten. Muss man ein gewisses Alter erreichen, um gute Stücke zu machen, wie mir eine Redakteurin sagte?
Man braucht eine persönliche Integrität, die einen dazu befähigt, natürlich zu sein. Und zu seiner Naivität und vor allem zu seiner Subjektivität zu stehen. Ältere Menschen mit unglaublich viel Lebenserfahrung sind trotzdem oft sehr naiv. Und wenn sie das sich selber eingestehen können, dann ist es sogar etwas ganz Großartiges. Ich begreife mich als eine Art Stellvertreter des Publikums: Ich kann mir neun Monate Zeit nehmen, weil ich dafür bezahlt werde, einem Thema nachzugehen, was auch die Hörer interessiert. Und was meine Persönlichkeit angeht, die muss als Feature-Macher so aufrichtig sein, dass ich mit meinen eigenen Schwächen umgehen kann. Nichts ist Schlimmer als ein aufgeblasenes Ego. Ich glaube, es braucht eine Demut, auch die dummen Fragen zu stellen, als Stellvertreter der Hörer reinzugehen und nicht als jemand, der schon alles weiß. Das ist völlig altersunabhängig. Es ist trotzdem so, dass nicht jeder ein Feature machen könnte.
In Deinen Features bist Du sichtbar, man spürt und hört Dich als Hörer. Hat Dir Deine Offenheit manchmal Angst gemacht?
Angst habe ich vor allen Dingen während der Recherche. Erst im zweiten Schritt bin ich Herr über die Töne. Ich hab kein Problem damit mich mit meinen Schwächen zu offenbaren. Überraschend war für mich, dass ich dafür teilweise stark kritisiert wurde. Vielleicht, weil ich dem ARD-Bild des Experten nicht entsprochen habe. Wenn ich die Sendung mische, lasse ich die Hose nur soweit runter, wie ich das kontrollieren kann. Während der Recherche gibt man sich ins offene Feld und in einem Interview kann man auch selber kritisiert werde. Ich habe erlebt, dass ich viel zu naiv war, oder jemanden auf die Füße getreten habe.
Hast Du beim Interview schon Mal mit Deinen Fragen verletzt?
Mir ist es immer wichtiger, dass Menschen sich gut fühlen, als dass das Resultat gut wird. Ich habe sehr viel Respekt vor Menschen. Ja, ich bin schon Leuten auf die Füße getreten. Einmal habe ich eine fast 90-jährige Multimillionärin interviewt, die schon nach zehn Minuten erbost war, dass ich vier Fragen gestellt hatte. Ich wusste nicht warum und hab auf Stopp gedrückt und erklärt, dass das Feature eine lange Form ist, die halt sehr in die Tiefe geht. Das Interview haben wir trotzdem nicht weitergemacht.
Anders ist es bei Personen öffentlichen Interesses. Ich hab den damaligen Finanzminister Peer Steinbrück interviewt und mit dem hab ich mich ein bisschen gestritten. Was heißt gestritten? Ich hab ihn auch ein bisschen verletzt, ohne es wirklich zu wollen. Es war kurz vor Weihnachten und ich war froh einen langen Gesprächstermin mit ihm zu haben und dann hab ich irgendwas gesagt, was er interpretiert hat als völlige Ablehnung seiner Politik. Ich habe ihm einen Teil des entstehenden Features mit seinen früheren Statements vorgespielt. Er war völlig irritiert, weil er in dem Stundeninterview auch ähnliche Sätze gesagt hat. In dem vorproduzierten Stück stand ein Erzähler in einem fiktiven Dialog mit ihm und der war extrem frech. Da habe ich ihm ungewollt auf die Füße getreten. Ich wollte ihn aber nur öffnen, weil Politiker immer hinter so einem Schutzpanzer sind. Und er ist bestimmt immer noch sauer auf mich, falls er sich noch erinnert – und das tut mir eigentlich leid.
Gab es skurrile Situationen, in denen Du dachtest: Wie konnte das eigentlich passieren?
Oh ja, das passiert öfter. Das passiert oft im Ausland, wo man die ungeschriebenen Gesetze nicht kennt. Oder bei der Recherche auf der Berliner Kurfürstenstraße, einer Drogen-Prostitutions-Szene, saß ich einmal im Auto mit einer Drogenabhängigen. Sie schlief während des Interviews sukzessive ein und ihr Freund, der auch ihr Zuhälter war, wollte vermitteln und stieß sie so an und meinte „nicht einschlafen“!. Das war eine schwermütige Situation und meine Gedanken gingen dann ganz weg von der Situation, weil ich auch müde war und dachte, eigentlich ist es völlig absurd hier zu sitzen mit Leuten, die gerade einen Schuss gesetzt haben. Hab da in wenigen Sekunden eine ganze Sinnkrise durchlebt (lacht).
Man provoziert mit dem Mikrofon, man fragt da nach, wo der gesunde Menschenverstand sagen würde „Hier fragst Du mal besser nicht“. Das habe ich auch von vielen Fotografen gehört, wenn die die Kamera vor dem Gesicht haben, dann trauen sie sich etwas, was sie sich sonst nicht trauen würden. Bei Kriegsreportagen ist das verhängnisvoll – man hat ja immer das Gefühl, dass man Teil von dessen ist, was gerade dokumentiert wird. Man ist teilnehmender Beobachter. Und manchmal sogar Auslöser von etwas, was ohne mich gar nicht passiert wäre.
Hast Du Dich selbst in eine gefährliche Situation begeben? Erkennst Du sehr schnell die Grenzen, wenn das Risiko zu groß wird?
Ja, ich habe starke Grenzen. Das war bei der Drogen- und Prostitutionsrecherche einfach eine emotionale Grenze, wo ich für mich gesagt hab, ich will mich in das Leid von Leuten nicht mehr zu tief involvieren. Und was die Gefährlichkeit von Situationen angeht in die ich rein gepurzelt bin, da habe ich entschieden „okay, mein Leben ist mir lieber als der Aufklärungswille“. Es gab in Afrika eine einzige Nacht, wo ganz, ganz viel passiert ist. Da hatte ich einmal ein Messer am Hals, und dann eine Pistole an der Schläfe. Ich hatte sogar Leibwächter dabei und die waren, als ich in ein Wespennest von organisierter Kriminalität gestochen habe, keine Hilfe. Ich musste alles dafür tun, um denen zu versichern, dass ich keine Gefahr für sie bedeute. Und das war auch eine super skurrile Situation, die sich durch Witze entschärfte. Bei dieser unglaublichen Aggression, die in der Luft lag, war irgendwie klar: Wer jetzt einen Witz reißt, ist weder ein Bulle noch jemand, der morgen an die Öffentlichkeit geht. Dann hat sich das alles wieder in Nichts aufgelöst.
Ich musste dort auch einen Mord mit ansehen, ein Jugendlicher wurde zu Tode geschlagen. Dieser eine Tag war ein Schlüsselerlebnis, an dem ich sehr lange zu knacken hatte.
Sind das dann die Momente, wo Du Dir gesagt hast: „Ich hab den falschen Job, das halte ich gar nicht aus?“
Ja. Aber nicht in dem Moment. Hinterher wurde ich – sicherlich nicht ganz ungerechtfertigt - dafür kritisiert. Es wurde mir unterstellt, dass ich dadurch ein Bild zeichne, was einem Klischee von Afrika gleichkommt. Mir ging es um eine ganz bestimmte Seite einer afrikanischen Tragödie. Das hab ich vielleicht in der Sendung nicht deutlich genug gemacht, dass solche Situationen für Afrika Ausnahmen sind. Wenn ich in Deutschland eine Berichterstattung über die organisierte Kriminalität von Bandidos und Hells Angels mache, dann schwebe ich auch in Lebensgefahr und dann werde ich in Situationen geraten, die haarsträubend sind. Und deswegen mache ich das nicht.
Autorinnen und Autoren, die Feature schreiben, verdienen nicht besonders viel. Dennoch tun sie sich schwer, sich zu organisieren. Woran liegt das?
Ich bin Pessimist, was die ganze Welt angeht. Ich bin Optimist, was das tägliche Leben angeht. Wir haben in Deutschland immer noch eine reichhalte Feature- und Radiolandschaft wie in keinem anderen Land der Welt und deswegen, hach, fällt es mir schwer zu klagen.
Gut, ich bin jetzt auch ein bisschen begünstigt. Aber ich sehe trotzdem nicht den Abbau der Sendeplätze. Beim WDR ist eine Umstrukturierung im Gange, es wurden viele neue Feature-Plätze geschaffen. Die sind zwar nur 20 Minuten lang, geben aber eine unglaubliche, für den WDR sogar große Freiheit. Gleichzeitig ist auf Deutschlandradio Wissen eben auch eine unglaubliche Bandbreite an kurzen künstlerischen Features entstanden.
Ich sehe eher einen Trend zu Podcasts und zu kürzeren Features, aber nicht zu einer Verarmung. Es ist ganz, ganz wichtig, dass Stundenfeatures beibehalten werden, die können einfach was Anderes erzählen. Aber nur weil, zugespitzt gesagt, ein Stundenplatz wegfällt und dafür rund fünf 20-minütige Sendeplätze entstehen, ist das für mich kein Grund zu verzweifeln. Trotzdem weiß ich, wie angewiesen man als Autor auf jeden Platz ist. Irgendwie bin ich auch GEZ Gebührenzahler tief in mir drin (lacht). Und ich denke an die Hörer und denke „mein Gott, wir sind einfach kein Sozialamt in der ARD.“ Und wenn Sendeplätze gestrichen werden und sich Autoren beschweren, dass sie jetzt was anderes machen müssen, dann ist das weniger schlimm, als wenn Hörer verdonnert werden irgendwas zu hören, was sie gar nicht hören wollen und dafür auch noch zur Kasse gebeten werden.
Kannst Du Dir vorstellen, dass Autorinnen und Autoren in Zukunft im Internet Features an den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten vorbei vermarkten?
Das Internet wird die Zukunft des Radios sichern. Podcasts sind eine neue Chance fürs Feature. Gleichzeitig ist eine Redaktion wichtig für Auswahl, Betreuung, auch für Kontrolle. Deshalb halte ich es für nicht zukunftsträchtig, dass Autoren jetzt selber produzieren und das direkt ins Netz setzen. Wenn ich mich als User sehe, möchte ich nicht in einer totalen Wildwest-Angebotslandschaft landen, sondern ich möchte bitte Redaktionen haben, die eine Vorauswahl treffen. Es klingt jetzt so nach Zensur, aber es soll eine journalistische Qualitätssicherung sein. Es muss nicht entweder oder heißen - ich wäre dafür, dass es eine Plattform gibt, wo man direkt als Autor etwas reinstellen kann. In der Praxis wird dann irgendwann eine Art Moderator auftauchen, der die schlimmsten Sachen einfach deswegen rauswirft, um nicht die User zu verschrecken.
Mehr über Jens Jarisch: www.yeya.de